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Virus-Aussichten für 2023 Wie geht es mit Corona weiter?

Maske adé? Schon bald dürfte der Pandemie-Wegbegleiter der Vergangenheit angehören.

Maske adé? Schon bald dürfte der Pandemie-Wegbegleiter der Vergangenheit angehören.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Expertinnen und Experten sind sich einig: Die Pandemie ist zu Ende - oder zumindest kurz davor. Worauf können wir uns also dieses Jahr einstellen? Auch wenn das Coronavirus viel von seinem anfänglichen Schrecken verloren hat, ist es doch gekommen, um zu bleiben.

Nach drei Jahren ist es endlich so weit: Die Corona-Pandemie neigt sich ihrem Ende zu. Längst ist Normalität in den meisten Lebensbereichen eingekehrt. Niemand spricht mehr von ausgebuchten Impfterminen oder langen Schlangen vor Testzentren. Ende Dezember sagt schließlich auch Charité-Virologe Christian Drosten die erlösenden Worte: "Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2." Doch was bedeutet das für die Zukunft? Werden jetzt auch die letzten Corona-Maßnahmen fallen? Wie oft werden wir uns noch impfen müssen? Und welche Gefahren birgt das Virus weiterhin?

Durch Impfungen und Genesungen herrscht Experten wie Drosten zufolge inzwischen eine hohe Immunität in der Bevölkerung. Zudem hat sich die Pandemie-Situation mit dem Auftauchen der Omikron-Variante grundlegend verändert. "Das Sars-CoV-2-Virus reiht sich mittlerweile in die große Gruppe der Viren ein, die akute Atemwegsinfektionen verursachen", sagt Intensivmediziner Stefan Kluge von der Uniklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) dem Science Media Center. Omikron-Subtypen, wie die momentan sich stark verbreitende XBB.1.5-Linie, seien zwar sehr ansteckend, führten aber nicht zu schwereren Krankheitsverläufen.

Corona-Lage entspannt sich in Krankenhäusern

Das zeigt sich auch in den Krankenhäusern. "Aufgrund der mittlerweile hohen Immunkompetenz in der Bevölkerung und der veränderten Sars-CoV-2-Stränge erwarte ich in der Klinik nur noch wenige Patientinnen und Patienten mit schweren Verläufen", sagt Oberarzt Paul Lingor vom Klinikum rechts der Isar der TU München. "Schon jetzt behandeln wir zum Glück kaum mehr Patientinnen und Patienten mit schweren Covid-19-Lungenentzündungen - trotz teils immer noch relevanter Infektionszahlen", berichtet sein Kollege und Infektiologe Christoph Spinner ntv.de.

Zwar haben derzeit viele Kliniken noch mit hohen Auslastungen zu kämpfen. Das liegt aber zu einem großen Teil an der ungewöhnlich starken Erkältungswelle in diesem Winter. Denn die Krankenhäuser melden bundesweit immer weniger Covid-Patienten. Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft sanken die Belegungszahlen von Corona-positiv getesteten Patientinnen und Patienten im Vergleich zur Vorwoche erneut deutlich um 25 Prozent. Und auch auf den Intensivstationen setzt sich der Abwärtstrend fort: Aktuell meldet die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) 898 Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen. Zum Vergleich: Während der Delta-Welle vor einem Jahr lagen dort zwischenzeitlich fast 5000 Covid-Kranke.

Test-, Masken- und Isolationspflicht werden fallen

Angesichts dieser Entwicklungen gehen viele Experten davon aus, dass im Laufe des Jahres 2023 Test-, Masken- und Isolationspflicht bundesweit abgeschafft werden. "Die Hygieneregeln waren aus infektionsmedizinischer Sicht von Anfang an nur als Maßnahme gedacht, um die Zeit zu überbrücken, bis die Immunkompetenz in der allgemeinen Bevölkerung durch Impfung und Genesung deutlich gestiegen ist", sagt Infektiologe Spinner im Gespräch mit ntv.de. Da das inzwischen der Fall sei, gebe es keinen Grund mehr, die Maßnahmen einschließlich der Maskenpflicht aufrechtzuerhalten.

Manche Bundesländer wie Sachsen und Bayern sind bei der Abschaffung der Maskenpflicht bereits vorgeprescht. Die meisten anderen dürften spätestens Anfang Februar folgen. Zu dem Zeitpunkt fällt dann auch die Maskenpflicht für den Fernverkehr. "Die Pandemielage hat sich stabilisiert", begründet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Schritt. Gleichzeitig setzt er auf Eigenverantwortung. "Jeder, der sich und andere schützen will, ist natürlich weiter gut bedient, die Maske zu tragen."

Ein bundesweites Ende der Isolationspflicht lehnt Lauterbach hingegen entschieden ab: "Die Isolationspflicht bleibt bestehen", sagte er zuletzt. Doch die Länder schaffen längst Fakten. In Bayern, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und im Saarland müssen Corona-Infizierte nicht mehr zu Hause bleiben. Niedersachsen, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben ein baldiges Ende der Isolationspflicht zumindest in Aussicht gestellt.

Die Lockerungen bei den Regeln für Isolation und Quarantäne hatten bereits Auswirkungen auf eine weitere Corona-Maßnahme: Wer sich nach einer Infektion "freitesten" möchte, bekommt dafür künftig keinen kostenlosen Schnelltest mehr. Das Bundesgesundheitsministerium sieht keine Notwendigkeit mehr, Tests zum Beenden der Absonderung aus Bundesmitteln zu finanzieren. Für medizinisches Personal, das sich vor einer Wiederaufnahme der Tätigkeit testen lassen muss, besteht aber weiter Anspruch auf einen kostenlosen Schnelltest. "Ein breites Testregime braucht es nicht mehr", sagt auch Peter Galle, Leiter der Covid-19-Station der Universitätsklinik Mainz. "Tests ergeben eigentlich nur noch bei Symptomen und in vulnerablen Bereichen Sinn, also zum Beispiel auf Transplantationsstationen im Krankenhaus."

Impfungen halten, was sie versprechen

Regelmäßiges Impfen wird vermutlich auch nur noch für Risikopatienten ein Thema bleiben. Denn die Corona-Impfung schützt laut Studien weiterhin zuverlässig vor schweren Krankheitsverläufen. Andreas Radbruch vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin erwartet, dass "die Impfung nicht aufgefrischt werden muss, so wie es bei Sars-CoV-1 auch war und ist." Dort seien nach einer Infektion die T-Zellen seit bisher 17 Jahren stabil.

Und auch vor einer Ansteckung könnte eine Dreifachimpfung plus durchgemachte Infektion deutlich länger schützen als bislang angenommen. Eine neue portugiesische Studie spricht von einer Immunität von bis zu acht Monaten. Daher hält Intensivmediziner Galle saisonales Impfen wie etwa bei Influenza durchaus für sinnvoll. Demnach spreche mehr dafür, weiterhin zu Boostern als dagegen. Darüber hinaus sollten Risikogruppen, also Alte, Kranke und Immunsupprimierte, alle sechs Monate geimpft werden.

Nun gibt es Menschen, die wegen bestimmter Vorerkrankungen nicht geimpft werden können. Doch auch sie können sich mittlerweile schützen. Ihnen wird eine vorbeugende Therapie mit monoklonalen Antikörpern, die die Erreger neutralisieren, empfohlen.

Gute Behandlungsmöglichkeiten bei Covid-19

Inzwischen gibt es eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten bei einer Covid-Infektion. Antivirale Medikamente wie Paxlovid können die Vermehrung des Virus in den Zellen stoppen und so einen schweren Verlauf verhindern. Bestimmte Herz-Kreislauf-Mittel schützen Blutgefäße, das Herz und weitere Organe vor Komplikationen durch eine Covid-19-Erkrankung - zum Beispiel Thrombosen. Andere Medikamente helfen der Lunge, während der akuten Infektion ihre Funktion aufrechtzuerhalten und sich anschließend möglichst folgenlos zu regenerieren.

"Bei der akuten Covid-19-Infektion gibt es in meinen Augen so viele Behandlungsmöglichkeiten wie bei kaum einer anderen Viruserkrankung der Atemwege", sagt Intensivmediziner Christian Karagiannidis. Die einmalige, weltweite Forschungsleistung in den vergangenen drei Jahren sei sensationell. Und sie ist längst nicht abgeschlossen. Derzeit werden laut US-Verband BIO mehr als 460 verschiedene Medikamente darauf erprobt, ob sie auf die eine oder andere Weise hilfreich gegen Covid-19 sein können.

Größte Herausforderung ist Long Covid

Weit verbreitete Immunität, mildere Corona-Varianten, immer weniger Covid-Patienten, schützende Impfungen und gute Behandlungsmöglichkeiten: Allgemein sind die Aussichten für dieses Jahr also ganz gut. Dennoch werden die Nachwirkungen der Pandemie uns wahrscheinlich noch lange erhalten bleiben.

Eine der größten Herausforderungen ist und bleibt Long Covid. Laut Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz der Berliner Charité, leiden etwa zehn Prozent der Erkrankten nach einer Covid-Infektion unter langanhaltenden Folgen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass allein in Europa 17 Millionen Menschen von Long Covid betroffen sind. Verschiedene Studien besagen zudem, dass Sars-CoV-2-Infektionen, vor allem ohne vorherige Impfung, deutliche Spuren auch nach leichten Verläufen im Immunsystem hinterlassen.

Zur Entstehung von Long Covid sowie zur Diagnose und zu möglichen therapeutischen Ansätzen gibt es jedoch noch viele offene Fragen. Intensivmediziner Karagiannidis wünscht sich daher die Etablierung eines Schweregrad-Scores für Long Covid, so wie es für viele internistische Erkrankungen üblich sei. "Das würde enorm helfen, die große und heterogene Gruppe der Long-Covid-Fälle viel besser zu fassen und zu klassifizieren." Chronisch Erkrankte sollten zur Diagnosesicherung und Erstellung eines Therapiekonzepts an spezielle Ambulanzen oder Praxen überwiesen werden können, fordert Scheibenbogen. Die seien jedoch bislang unterfinanziert und oft nur einseitig ausgerichtet und hätten lange Wartezeiten.

Sorge vor neuen Varianten

Auch wenn die Pandemie auf dem Rückzug ist, Sars-CoV-2 wird nicht einfach mit ihr verschwinden. "Vieles hängt davon ab, welche neuen Virusvarianten sich mittel- und langfristig entwickeln und durchsetzen", sagt Infektiologe Julian Schulze zur Wiesch vom UKE. Es können jederzeit neue, möglicherweise auch gefährlichere Corona-Varianten entstehen, so der Mediziner. "Vielleicht wird es sogar notwendig sein, weitere Variationen der Covid-19-Impfstoffe zu entwickeln und zuzulassen, die spezifisch gegen weitere Varianten gerichtet sind."

Infektiologe Spinner hält die Entstehung neuer Varianten sogar für sehr wahrscheinlich. Aber: "Medizinisch gesehen ist es gleichzeitig sehr unwahrscheinlich, dass eine deutlich krankmachendere Variante in naher Zukunft auftritt."

Quelle: ntv.de

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